Lebenswende durch die Tafel – Wenn sich plötzlich Türen öffnen 

Lebenswende durch die Tafel – Wenn sich plötzlich Türen öffnen

Interview mit Flo – Neuer Betriebsleiter erzählt von seinem Weg zur Laatzener Tafel 

 

Warum hast du dich für die Laatzener Tafel entschieden?  

Ich weiß nicht ob „entschieden“ das richtige Wort dafür ist. Denn schlussendlich war ich zuvor schon länger ehrenamtlich bei der Tafel im Einsatz“. Nur jetzt ist es mein bezahlter Job. Ich glaube, es war nur die logische Konsequenz. Belastbarkeit, Ort und vor allem Zeit haben gestimmt. Wie es im Leben oftmals so ist, Timing ist manchmal alles.  

 

Wie kamst du zur Tafel und was dürfen wir von dir erwarten?  

Als ich mit 30 Jahren, aufgrund meiner schweren Krankheit Rentner wurde, wollte ich nicht, dass dass sich dieser Status manifestiert. Ich wollte den Bezug zum Leben nicht vollkommen verlieren. Da ich als so junger Rentner natürlich nicht viel Geld hatte, musste ich als Kunde zur Tafel um Lebensmittel zu erhalten. Irgendwann fragte ich einen Helfer, ob noch jemand als ehrenamtlicher Helfer gesucht werden würde. Zwei Tage später war ich zum ersten Mal im Einsatz bei der Laatzener Tafel für Hemmingen, Laatzen und Pattensen e.V.. So eigenartig sich das vielleicht auch anhören mag, dass ich einst selber Kunde und auf Spenden angewiesen war, bin ich davon überzeugt, dass genau diese Erfahrung mich zu einem guten Betriebsleiter machen werden. Denn heute, ein Jahr später, bin ich kein Rentner mehr, nahm 50 Kilogramm ab, habe mich zurück in soziale Umfelde gekämpft, bin kein Kunde mehr bei der Tafel und bin wieder voll im Berufsleben. Trotz dieser vielen krisenhaften Jahre konnte ich mich nochmal aufrappeln. Das hatte, wie eingangs erwähnt, sicherlich auch etwas mit perfektem Timing, Glück, Willenskraft zu tun. Aber vor allem verdanke ich diesen Erfolg meiner besten Freundin Dominique. Sie ist der Ursprung jeder Bewegung/Veränderung. Ohne Übertreibung, sie hat mir mein Leben zurückgeschenkt, weil sie an mich glaubte, mich stützte, kritisierte, lobte und einfach da war. Ohne sie wäre ich heute sicherlich kein Betriebsleiter. 

Seither bin ich davon überzeugt, dass jeder einen Weg aus einer schweren Krise schaffen kann. Er wird nicht leicht, ganz sicher nicht, aber es wird sich lohnen.  

Aus diesem Grund darf man von mir als Betriebsleiter durchaus einiges erwarten. Neben neuen innovativen Veränderungen, die wir vornehmen möchten, möchte ich auch an die Kunden einige Änderungen weitergeben. Ein Beispiel sind Struktur und Einhaltung von Regeln. Nicht jeder mag sie sofort, aber sie helfen auch der Kundschaft nachhaltig. Denn als Leistungsempfänger/-in kann man schon mal „den roten Faden“ im Strukturgeflecht der Tagesabläufe, Essverhalten, Verhalten etc. verlieren. Wir haben ganz bestimmt keinen Erziehungsauftrag, aber wir sind für viele Menschen, die zur Tafel kommen, oft die einzige Anlaufstelle, die sie in der Woche aufsuchen.  

Zudem möchte ich deutlich präsent sein und auch aufzeigen, wofür die Tafelbewegung eigentlich steht, aber gar nicht wahrgenommen wird. Ein Stichwort dazu ist: sozialer Frieden.  

 

Was ist deine Aufgabe bei der Laatzener Tafel? 

Ich bin als Betriebsleiter tätig und irgendwie als Allroundkraft gefragt. Mein Aufgabenbereich ist unglaublich vielfältig. Besonders spannend ist die Zusammenarbeit mit den vielen Helfenden mit ihren unterschiedlichen Charakteren, Bedürfnissen oder/und Anforderungen. Ich lerne die über 60 Frauen und Männer, die allein für die Laatzener Ausgabestelle zur Verfügung stehen, gerade noch besser und näher kennen. Für unsere Ausgabestellen in Hemmingen bzw. Pattensen bin ich ebenfalls als Ansprechpartner da. 

Zu meinen Aufgaben gehört die fachliche und personelle Führung der Teams sowie die Disposition und Steuerung der Helfenden. Ohne Einsatz- bzw. Tourenpläne geht es nun mal nicht. Außerdem bin ich für die Kontaktpflege zu den Lebensmittelmärkten und Unternehmen, die uns Spenden zur Verfügung stellen zuständig. Ebenso gehört der Kontakt zu den Menschen, die das Angebot der Laatzener Tafel in Anspruch nehmen, dazu.   

Mein Job umfasst auch die Erledigung ganz vieler organisatorischer Dinge. Dann ist da die Arbeit im operativen Geschäft, als auch die Arbeit im Büro; die Gespräche mit neuen Helfenden. Ich gucke z.B., dass ausreichend Getränke für die Helfenden da sind, aber ich muss auch ein Auge darauf haben, dass die Fahrzeuge betankt sind, der TÜV aktuell ist und die Autos fahrtüchtig und sauber sind.  

Es gibt noch einiges mehr zu tun …. die Aufzählung könnte hier den Rahmen sprengen.  

 

Hast du als Betriebsleiter dein berufliches Ziel erreicht oder geht da noch mehr?  

In der Hierarchie, nüchtern betrachtet, geht es nicht höher, aber der Betriebsleiter bin ich Gestalter und mitten im Geschehen. Das mag ich, auch wenn ich manchmal Fähigkeiten eines Animateurs bräuchte. Was ich damit sagen möchte, ist, dass kein Tag wie der andere ist, keine Schicht ist wie die andere. Aber wenn die Frage darauf abzielt, ob ich mir vorstellen kann, das bis zum Renteneintrittsalter zu machen, dann ist die Antwort: ja. Man hat hier als Betriebsleiter viel Gestaltungsspielraum, obwohl durchaus auch etliche gesetzliche Vorgaben und Rahmenbedingungen zu beachten sind. Themen zu bewegen, neue innovative Wege zu testen und zu gehen, das reizt mich. Aber als Betriebsleiter bin ich nichts ohne das Team, das möchte ich hier auch nochmal herausstellen. Egal ob es meine Stellvertreter sind oder unsere Helferinnen und Helfer. 

Die Arbeit bei einer Tafel hat auch nichts mit Sozialromantik zu tun, es ist teilweise schon auch herausfordernde und körperlich anstrengende Arbeit, aber … mit dem Glauben an das Gute im Menschen hat die Arbeit zu tun. Ich sehe uns Helfende als Tafelfamilie. Aus so manchem Kontakt in dieser ehrenamtlichen Arbeit ist auch ein privater Kontakt geworden. Eben war dir noch jemand flüchtig bekannt, nun ist er eine enge Bezugsperson. Das sind die Begegnungen und Momente, die ich toll finde und die mir zeigen, dass ich am richtigen Platz bin.  

 

Was brauchst du für deine Arbeit?  

Einen Vorstand, der mir Raum und Möglichkeiten gibt, mitzugestalten; ein tolles Team, Feedback, Zeit und händeringend zusätzliche Helfende. Völlig egal für welche Ausgabestelle (Laatzen, Hemmingen-Arnum oder Pattensen).  Eine Gesellschaft, die nicht pauschal urteilt, sondern sich für das interessiert, was die Tafeln u.a. für den sozialen Frieden tun. Und eine Politik, der bewusst ist, dass der Staat versorgt und wir Tafeln nur ein Zusatzangebot darstellen. 

 

Falls auch Sie die Laatzener Tafel für Hemmingen, Laatzen und Pattensen e.V. unterstützen möchten, dann rufen Sie gern an (0157 76476534) oder schreiben eine Mail an info@latzener-tafel.de 

Weitere Informationen finden Sie auch unter www.laatzener-tafel.de 

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