Ankommen und Aufatmen
„Ohne Kunst atme ich nicht“, schreibt Nataliia Lipetska auf Instagram – ein Satz, der ihre jüngste Entscheidung erklärt: Die 35-Jährige, 2022 aus dem kriegserschütterten Odesa geflohen, hat ihren Verkäuferinnenjob gekündigt, um sich in Laatzen ganz der Malerei zu widmen. Seit zehn Jahren verheiratet und Mutter eines Siebenjährigen, wagt sie damit den familiär abgestimmten Neustart. Ihre Wohnung in der Würzburger Straße ist Atelier, Lager und Galerie zugleich. Leinwände lehnen an Heizkörpern, Aquarellkästen stapeln sich auf dem Esstisch. Hier entwickelt Lipetska jene lichtdurchfluteten Szenerien, mit denen sie bereits kleine Café-Ausstellungen in der Region Hannover füllte.
Wurzeln und ästhetische Handschrift
Lipetska stammt aus einer „Künstlerdynastie“, wie sie es nennt: Der Großvater malte Schwarzmeer-Landschaften, die Mutter Fantasiewelten in Pastell. In ihrem Saatchi-Art-Profil erzählt sie von Schulheften, deren Ränder niemals leer blieben, und von Büro-Meetings, in denen sie Quartalsberichte in Aquarelle verwandelte Saatchi Art. Diese frühen Skizzen prägen ihre Handschrift bis heute: Zarte Lasuren treffen auf blitzendes Weiß, als würde das Papier selbst Luft holen. Mal schwebt ein Segelboot im Nebelgrau, mal leuchtet der Schatten einer Teetasse wie eine kleine Sonnenfinsternis. „Meine Mutter hat mir gezeigt, Schönheit in Details zu sehen – im Sprung in der Tasse, in der Falte einer Stirn“, sagt Lipetska im Gespräch mit unserer Redaktion.
Ihre Themen kreisen um das Zwischen-, nicht das Offensichtliche: die Stille nach einer Flucht, die Verletzlichkeit von Alltagsmomenten, die Hoffnung in pastelligen Übergängen. Betrachtende berichten, ihre Bilder „bringen Stille in den Raum“ oder wecken Erinnerungen an Sommertage, die nie ganz vergehen.
Zukunftspläne und Resonanz
Der Zuspruch motiviert: Eine Solo-Schau unter dem Arbeitstitel „Atemzüge“ ist für Herbst in einer Hannoveraner Off-Gallery geplant. Dort will Lipetska erstmals großformatig arbeiten und Aquarell mit Acryl kombinieren – ein Akt kreativer Befreiung nach Jahren wirtschaftlicher Vorsicht. Unterstützung erhält sie von ihrem Mann, der den organisatorischen Part übernimmt, sowie von einer wachsenden Online-Community aus Instagram- und TikTok-Followern. Die sozialen Medien sind für sie jedoch mehr als Marketing. „In einer Welt, in der Algorithmen entscheiden, was wir sehen, bleibt der Künstler die letzte Stimme des Herzens“, schreibt sie – fast wortgleich zu ihrem Profiltext Saatchi Art.
Ob sich das Abenteuer finanziell trägt, bleibt offen. Doch Lipetska wirkt gefestigt: „Kunst erinnert uns daran, dass wir lebendig sind. Wenn ich male, vergesse ich sogar das Atmen – und merke erst später, dass die Bilder längst für mich geatmet haben.“
Instagram: @lipetska.art