Seit 19 Jahren gibt es den Verein „Kleine Herzen Hannover“
In Deutschland kommen jährlich knapp 9.000 Kinder mit einem angeborenen Herzfehler zur Welt. Über 90 Prozent dieser Kinder erreichen dank medizinischer Fortschritte inzwischen das Erwachsenenalter. Eine der größten Kinderherz-Kliniken gibt es an der Medizinischen Hochschule Hannover (MHH). Hier kommen fast täglich besorgte Eltern mit ihren Kindern in die Ambulanz. Und sie erleben ein Krankenhaus, das sie so nicht kennen. Für eine freundliche, bunte und ansprechende Umgebung sorgt seit über 19 Jahren der gemeinnützige Projektverein „Kleine Herzen Hannover“.
Durch eine Schranke fahren die Eltern auf das riesige Gelände mit den hohen, grauen Häusern. Sie sehen dann schon von weitem, wo sie hin müssen. Die Eltern lesen das Wort „Kinderklinik“ – das Kind entdeckt einen Regenbogen, aus dem Luftballons aufsteigen, grüne Bäume und zwei bunte Elefanten am Eingang. Zuerst geht es zur Anmeldung – und schon da ist bei den Kindern oft die Angst verflogen. Die positive Ausstrahlung der Kinderklinik geht es aus einer Initiative der Journalistin Ira Thorsting hervor. Sie gewann im Jahre 2006 auf dem Landespresseball zwei Karten für das Finale der Fußball-Weltmeisterschaft in Berlin. Und da sie sich überhaupt nicht für Fußball interessierte, ließ sie die Tickets versteigern. 40.000 Euro kamen zusammen. Ira Thorsting hatte die spontane Idee, mit dem Geld den Grundstein für den Verein „Kleine Herzen“ zu legen.
Etliche Projekte wurden seitdem umgesetzt, die alle dem Wohl der Eltern, der kleinen Patienten, aber auch der Ärzte und dem Pflegepersonal dienten. „Ich möchte mit meiner Arbeit auch meine Dankbarkeit zeigen, dass unser Sohn dort gerettet wurde“, sagt Ira Thorsting. Die Palette der vom Verein geförderten Vorhaben ist lang. Eines der Projekte ist der Dolmetscherdienst, den Ira Thorsting bereits 2011 ins Leben gerufen hat. „50 Prozent der Familien in Kinderkliniken haben einen Migrationshintergrund“, sagt die Vereinsvorsitzende. Zusammen mit dem Ethno-Medizinischen Zentrum Hannover können innerhalb kürzester Zeit Übersetzer für mehr als 50 Sprachen angerufen werden. Für dieses Projekt gab es sogar schon einen Integrationspreis.
Die erste Maßnahme nach der Vereinsgründung war die Einrichtung von Eltern-Kind-Zimmern. Inzwischen haben alle 15 Einzel- und Doppelpatientenzimmer ein ausklappbares Bett sowie einen Relax-Sessel – und alle sind mit einem behindertengerechten Badezimmer ausgestattet. „Das war ein immenser Kraftakt, bei dem unser Kooperationspartner „Kinderherz-Hannover“ AUCH mitgeholfen hat“, betont Ira Thorsting. Dazu kamen zwei neue Stationsküchen, ein Spielzimmer, zwei Eltern-Ruhe-Räume sowie ein Untersuchungszimmer und ein Abschiedsraum auf der Kinderintensivstation. Alles finanziert aus Spenden. Neben der räumlichen Ausstattung sorgt der Verein aber auch für therapeutische Hilfen. So kommt beispielsweise die Musik-Therapeutin Dorothea Weiss regelmäßig mit ihren Instrumenten und Klangschalen an die Betten der Kinder. „Ich möchte ihnen etwas geben, was ihnen gut tut – was für Wohlbefinden sorgt“, sagt die Therapeutin. Und auch ein Kunst-Therapeutin wird vom Verein finanziert. Anne Nissen arbeitet sowohl mit den Patienten, als auch mit Geschwisterkindern und Eltern im Vereinsprojekt „Farben für die Seele“.
Für Entspannung sorgt seit Anfang 2024 ein neues Projekt der „Kleinen Herzen“. Der Liedermacher Robby Ballhause kommt einmal im Monat in die Kinderklinik, um mit seinen Gitarrenklängen und seinem Gesang dafür zu sorgen, dass die Kinder, ihre Begleitpersonen und manchmal auch die Mitarbeiter mal kurz abschalten können. Eine Stunde lang spielt der Musiker in der Spieloase. „Das Angebot sorgt dafür, dass auch das Klinikpersonal im stressigen Alltag mal durchatmen kann“, erklärt Thorsting. Seit Anfang dieses Jahres hat die Kinderherzstation zudem ihren eigenen Clown. Erst vor kurzem wurde eine Kooperation mit den Clinic-Clowns Hannover gegründet.
Der Verein „Kleine Herzen Hannover“ tut aber nicht nur was für Kinder und Eltern, er hat auch das Wohl der Mitarbeiter im Blick. Jeden Tag kämpfen sie um das Leben der kleinen Kinder – das geht selbst den stärksten Mitarbeitern irgendwann an die Nieren. Im Durchschnitt bleiben Pflegekräfte nur fünf Jahre auf so einer Intensivstation – länger halten es die meisten emotional nicht aus. Darum gibt es bereits seit 2013 eine wöchentliche Supervision der Mitarbeiter, die von „Kleine Herzen Hannover“ finanziert wird. Zusätzlich stellt der Verein seit dem vergangenen Jahr die Finanzierung für regelmäßige Seminare zu den Themen „Achtsamkeit“ und „Kommunikation“ sicher. „Ohne Selbstfürsorge und Achtsamkeit in Bezug auf sich selbst ist dieser so stark fordernde Beruf nicht durchzuhalten“, sagt der Leitende Oberarzt der MHH-Kinderintensivstation, Dr. Michael Sasse.
Auch für die ganz schwierigen Situationen mit Eltern und Patienten hat der Verein ein eigenes Projekt entwickelt, das inzwischen bundesweit Beachtung findet und mehrfach ausgezeichnet wurde: „Kriseninterventionshelfer im Krankenhaus“. Es war die Idee von Ira Thorsting. In kostenlosen Seminaren werden Ärzte und Pflegekräfte zu Krisenbegleitern ausgebildet. Denn oft brauchen die Eltern eine fachkundige und empathische Hilfe, wenn ihnen gesagt wird, dass ihr Kind vielleicht sterben oder mit einer Behinderung leben muss. „Dann ist es absolut wichtig, dass Ärzte und Pflegekräfte richtig damit umgehen und die Eltern in dieser schwierigen Situation beistehen und auffangen können“, erklärt Ira Thorsting. Ihr Verein wurde für dieses Kriseninterventionsprojekt bereits vom Bund, vom Land Niedersachsen, der Wirtschaft und auf regionaler Ebene mit verschiedenen Preisen ausgezeichnet. Seit 2015 finanziert „Kleine Herzen“ das Projekt – inzwischen haben mehr als 700 Mitarbeiter daran teilgenommen.
„Sogar die ehrenamtlich tätigen Grünen Damen und Herren der Medizinischen Hochschule Hannover haben bereits alle unsere Krisenbegleiter-Kurse belegt“, freut sich die Initiatorin. Immer wieder führt Ira Thorsting Unterstützer und Spender durch die vielen Bereiche der MHH-Kinderklinik, die von den „Kleinen Herzen“ mit sehr viel ehrenamtlichem Engagement bunt und modern umgebaut wurden. „Und natürlich planen wir schon die nächsten Vereinsprojekte“, so Thorsting, doch mehr möchte sie noch nicht verraten.