Ach, Juli. Du bist der Monat, in dem selbst der letzte Pessimist ein bisschen weicher wird. Der Monat, in dem plötzlich alles irgendwie leichter aussieht – zumindest auf Instagram. Die Haut ist gebräunt (oder verbrannt), das Eis tropft (immer genau auf das weiße T-Shirt), und wir alle tun so, als hätten wir unser Leben unter Palmen geplant – auch wenn wir eigentlich nur im Freibad neben kreischenden Kindern auf einem viel zu kleinen Handtuch sitzen.
Sommer, Sonne, Realitätsschock
Der Juli ist wie diese eine Freundin, die ständig sagt: „Komm, wir machen was Spontanes!“ – und du denkst: Bitte nicht noch ein Abenteuer. Aber dann machst du’s trotzdem.
Und plötzlich sitzt du nachts an einem See, hast Sand in den Schuhen und Mückenstiche an Stellen, an die du nur schwer rankommst – aber es ist dir egal, weil der Himmel pink ist und irgendjemand leise Musik aus einem mitgebrachtem Bluetooth-Lautsprecher spielt.
Ich erinnere mich an einen Juliabend, an dem ich mit zwei Freundinnen eigentlich nur ein Feierabendgetränk auf dem Balkon nehmen wollte. Es war warm, die Luft stand still, und wir saßen da, mit Weißwein und diesen salzigen Rosmarin-Crackern, die in jedem Supermarkt gleich schmecken, aber auf einem Balkon plötzlich nach Toskana.
Irgendwann sagte eine von uns (natürlich nach dem dritten Glas): „Lass mal zum Rhein runterlaufen. Einfach so.“
Wir hatten keine Decken, keine Getränke mehr, keine Mückenspray – aber was soll ich sagen? Zwei Stunden später saßen wir auf den Steinen am Ufer, die Füße im Wasser, drei Wespen im Nacken und zwei Flaschen Sekt, die wir spontan im Kiosk geholt hatten.
Es war einer dieser Abende, an denen nichts perfekt war – und genau deshalb alles stimmte. Der Juli riecht nach Grill, Chlor und Sonnencreme
Es gibt Monate, die haben eine ganz eigene Duftmischung – der Juli gehört definitiv dazu. Überall riecht es nach Sonnencreme mit Lichtschutzfaktor 50, nach frisch gemähtem Rasen, nach diesem leicht modrigen Hallenbadgeruch in Freibadduschen, nach Grillkohle, Schweiß und Sonnenuntergang.
Und dann sind da natürlich die Grillpartys.
Ich weiß nicht, wie es Ihnen geht – aber ich liebe den Moment, wenn jemand ruft: „Wir grillen!“ und sofort fünf Leute mit Kartoffelsalat in Tupperdosen aus dem Gebüsch springen.
Grillen ist ja auch irgendwie das deutsche Sommerritual schlechthin. Es braucht nicht viel: ein Grill, ein bisschen Fleisch oder Gemüse, Bier oder Bowle – und plötzlich sitzt man da mit Menschen, die man seit Monaten nicht gesehen hat, und redet stundenlang über alles und nichts.
Letzten Juli war ich auf einer dieser typischen „Bring-dein-eigenes-Zeug-mit“-Grillpartys im Park. Ein Kumpel hatte so einen klappbaren Mini-Grill mitgebracht, der schon beim ersten Anzünden verdächtig qualmte. Ein anderer hatte vegane Würstchen, die beim Wenden auseinanderfielen wie Sandkuchen.
Aber es war einer der schönsten Abende des Sommers. Urlaubsträume und Balkonia-Realitäten
Im Juli zeigt sich dann auch, wer wirklich in den Urlaub fährt – und wer nur so tut, als wäre der Balkon eine Strandbar.
Die einen posten Bilder aus Santorini, die anderen aus dem Schrebergarten. Und das Lustige ist: Beides sieht gleich gut aus, wenn der Filter stimmt.
Ich hab mal versucht, mich selbst zu veräppeln. Letzten Juli. Ich hab mir eine riesige Luftmatratze gekauft, die aussah wie ein pinker Flamingo, und sie auf meinem Balkon aufgeblasen. Dazu eine Ananas, ein Handtuch mit Palmenmotiv und ein Cocktailglas mit fancy Strohhalm.
Ich lag da also in diesem Flamingo, eingeklemmt zwischen Balkonpflanzen und der Satellitenschüssel des Nachbarn, und dachte: Sieht doch fast aus wie Ibiza.
Fast.
Drei Minuten später kippte der Flamingo, das Cocktailglas fiel um, und der Nachbar bat mich, „etwas leiser zu planschen“.
Aber hey – für einen Instagram-Post hat’s gereicht. Der Juli ist wie ein Kind mit Sonnenstich – unberechenbar, klebrig, laut – aber auch herzlich, wild und voller Leben.
Im Juli will niemand über Verpflichtungen reden. Es ist die Zeit der Flip-Flops, der Festival-Bändchen, der schiefen Sonnenbrillen und der kurzen Nächte. Es ist die Zeit, in der wir unsere Lebensfreude auslagern an Eisdielen, Badeseen und Open-Air-Kinos.
Und es ist auch die Zeit, in der wir manchmal zu viel wollen. Zu viel Sommer, zu viel Nähe, zu viel vom Guten.
Man verliebt sich schneller. Oder denkt zumindest, dass man sich verliebt hat, weil die andere Person im Gegenlicht so gut aussieht.
Der Juli gaukelt uns vor, dass alles ewig so bleibt. Als würde der Sommer nie enden. Aber dann… kommt dieser Moment. Ganz plötzlich.
Meist nachts.
Wenn das Fenster offen ist und eine leichte Brise durchs Schlafzimmer weht.
Und man liegt da, mit klebrigen Beinen auf der Bettdecke, hört das entfernte Brummen eines Mopeds, das Knacken der Hitze in den Wänden – und spürt:
Das ist Sommer. Nicht der große Trip, nicht die perfekten Instagram-Momente, nicht der perfekte Körper oder das perfekte Grillgut.
Sondern genau das: Einfach da sein. Durchatmen. Warm sein. Lebendig sein.In diesem Sinne: Willkommen im Juli. Machen Sie’s sich schön. Ob auf Balkonien, in Griechenland oder einfach nur mit nackten Füßen im Gras.
Denn der Juli fragt nicht, ob Sie bereit sind.
Er ist einfach da.
Und das ist auch gut so.
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